… eigentlich wollte ich nicht mehr schreiben.
Aber da dass vielleicht meine letzte größere Radreise sein könnte, schreibe ich mal wieder.
Ich möchte hier noch kurz auf Phils Reiseblog hinweisen, er ist gerade mit dem Rad in Indien unterwegs ….… was mich dagegen wie ein Bodensee- Weltumradler aussehen lässt 😉
Link zu Phils Blog: Phils Blog
Und so nebenbei kann ich für alle Radfahrer-Indien-romantische-Geschichten-Fans noch das folgende Buch (oder Hörspiel) empfehlen: Link: Vom Inder, der mit dem Fahrrad bis nach Schweden fuhr um dort seine große Liebe wiederzufinden
Startbeginn: 20.05.2017
07.05.2017: Der Umbau meines Stahlrosses (E-Bike -> Fahrrad) schreitet voran.
Erkenntnis: Dachte ich bisher, das mein E-Bike Mod schon schwer wäre, aber nach dem „Rückbau“ die Erkenntnis:
Das Teil wiegt auch ohne E-Bike Komponenten immer noch 20 kg 😉
Daraus folgende Schlussfolgerung und Ableitung einer alten Bauerregel:
– Ist das Fahrrad noch zu schwer, muss ein anderer Bauer her – (yeah)
17.05.2017: Immerhin hab ich schon einmal einen Haufen im Wohnzimmer aufgestapelt. Mal schauen was alles mitgeht. (den Saustall erspare ich euch lieber)
19.05.2017: Wie jetzt? Vorne oder hinten?
Manchmal tu ich mich mit der Verteilung des Gewichts schwer:
… mal das Gewicht hinten,
… mal das Gewicht vorne …
Daher freue ich mich über meine einzigartige Gabe der stoischen und unbekümmerten Gelassenheit denn ich weiß, das es am Ende des Tages doch eh egal ist.
In ein paar Stunden geht es los und es gab schon einige Pannen, die normalerweise andere dazu bewegen würden, die Reise nochmals zu überdenken. Aber jetzt ist der 35kg Bolide gepackt, jetzt geht es los!
Update: 4 Stunden bevor es losgeht und das Grauen kehrt zurück…
… aber nur, weil ich nach langer Zeit mal wieder mein Gewicht betrachten durfte.
Nicht das ich ein Problem mit meinem Gewicht habe würde, 150kg Gesamtgewicht hält mein alter Drahtesel schon aus 😉
Anstatt euch jetzt mit meiner unansehnlichen Plauze zu konfrontieren, präsentiere ich euch lieber das digitale Ergebnis meiner Waage :
Das soll mal jemand sagen ich sei nicht gläsern… Mal gucken wie das nach 2 Wochen ausschaut 😉
20.5.2017 Auf nach Kiel und Knastkoje
Zu den Fruehaufstehern gehörte ich ja bekanntlich nicht, aber es hilft nichts, der Weg ist weit. Also den Kram ins Miet-Auto geschmissen, und rauf nach Kiel.
10 Stunden später bin ich in Kiel, habe das Auto abgegeben, bin zu den Ostseehafen aufgebrochen und um ca. 18:30 auf die Fähre Kiel -> Kleipeda eingecheckt.
Anschliessend habe ich die heimelige Koje auf dem Dampfer bezogen…
Aufgrund akuter Platzprobleme in meiner Knastkoje bin ich dann noch eine Weile planlos auf dem mittlerweile fahrenden Dampfer umhergelaufen. Irgendwann habe ich mir dann so ein litauisches „Leuchtturm“ Bier gekauft, das ich als ausgetrockneter Landstreicher reinschüttete wie Limonade.
5 Minuten später habe ich dann wie 2 volle Leuchttürme ausgeschaut, was zur allgemeinen Belustigung der größtenteils anwesenden Fernfahrer (die sich nach ihrer Kleidung zu urteilen schon „Bett-Fein“ gemacht hatten) beigetragen hat.
Als ich dann später wieder meine Knastkoje bezogen habe, ging es nur noch darum wer als erstes einschläft – mein Nachbar über mir oder ich.
Einen Wald abzuholzen ist eine schwierige Sache, das kann ich verstehen, aber dabei im selben Raum gefangen und dabei auch noch 100 Dezibel ausgesetzt zu sein kann nur der eine – oder der andere gewinnen.
Nachdem ich am nächsten Tag Mittags gut ausgeschlafen aufwachte, war klar, wer gegen das Rennen des Waldarbeiters gewonnen hatte.
21.05.2017 Blick in die Seele
Nachdem ich noch gegen Mittag mit den Fernfahrern in der Kantine gegessen hatte (die Fernfahrer waren, dem Augenschein ihrer gemütlichen Kleidung nach, nach dem Essen gleich wieder ins Bett gegangen) bin ich um knapp 17 Uhr angekommen. Schnell noch kurze 10 Kilometer zum Campingplatz gehottet, Zelt aufgebaut und … Geärgert.
Viele Jahre hat mich mein altes geliebtes Salewa Santa Fe Zelt durch die Welt begleitet. Eine Woche vor Abreise hatte ich allerdings die wahnwitzige Idee, mir noch ein neues Zelt und einen neuen Schlafsack im Internet kaufen zu müssen.
Außen schaute das neue Zelt (mal von der neongrünen mehr als auffälligen Farbe) genauso aus wie mein altes Salewa Zelt. Aber es ist 20cm tiefer und 20cm kürzer. 🙁
Doofe Situation, 2 Faktoren die sich mit knapp 2m Körpergröße als ungünstig herausstellten. Aber man muss auch das positive dabei sehen, jetzt kann man(n) beim Schlafen schön die Zeltwand knutschen und beim einsteigen ins Zelt kommt das durch die 20cm tiefere Apsidenhöhe einer Yoga- Übung gleich, was bei mir ins Zelt- einsteigen unweigerlich aus schaut, als würde ein Roboter versuchen Aerobic zu machen.
Achja, da war auch noch der neue XL Schlafsack.
Okay, ich bin nicht der dünnste, aber dieser XL Schlafsack ist kleiner als mein alter nicht XL Schlafsack. Heute ist XL auch nicht mehr das was es mal früher war….
Jahrelang hab ich mein altes Salewa Zelt und meinen alten BW Schlafsack durch ganz Europa geschleift, auch weil ich zu geizig war was neues zu kaufen..
Jetzt hab ich mal was neues gekauft und jetzt muss ich mich quer ins Zelt einspreizen um nicht immer der Zeltwand Hallo sagen zu dürfen.. Tja, egal wie man es macht….
Zumindest haben die, denen ich meine alte Campingausruestung gespendet habe, jetzt was gescheites 🙂
22.05.2017 Feindkontakt mit einer Amazonen Radlergruppe
Heute bin ich nach „Nicht da“ gefahren. Das ist der letzte Zipfel Litauens, das mit der Kurischen Nehrung an Russland grenzt. Ausser das ich meinen Hintern nicht mehr spüre, für die 60 km mehr oder weniger den ganzen Tag gebraucht habe, wurde ich auch noch hämisch beim eintreffen am Campingplatz von der amazonisch wirkenden Frauen-Radlergruppe begrüßt, die mir schon auf dem Dampfer unangenehm aufgefallen war.
Ich hatte aber noch Welpenschutz bei den Damen, denn als alleinreisender Herr hatte ich aus unerklärlichen Gründen mehr Sympathien bei den Damen als die 2 Macho Radfahrer die uns gleich von Beginn an überholt hatten.
Nun, also bin ich hier in Litauen und es ist auf der kurischen Nehrung sehr schön, auch wenn ich quer in meinem „Zwei-Mann-Zelt“ liege, und mich samtige 10 Grad in meinem Sommerschlafsack umstreicheln.
23.05.2017 Sandpiste / Ölstrasse, Monstertour bis in die Nacht
Rückfahrt über das Haff (Lagune) nach Klaipėda.
Lustige Fähre, ein paar Kilometer Rad schieben und nächtliche Hoellentour nach Claidepda bei 8 Grad. 22 Uhr Campingplatz erreicht.
I luve IKEA— (Schaut genauso aus wir zu hause) Prekiu!
24.05.2017 Kalt, aber Kommune 1 Feeling am Campingplatz
Echt zu kalt um im Zelt zu schreiben -Stop-
Lettland spät abends erreicht. -Stop- Campingplatz außerhalb -Stop- Erinnert an Kommune 1 -stop– Vielleicht bleibe ich für immer hier.. -stop-
25.05.2017 Kontakt mit einer Dame
Heute ist nichts sonderliches passiert. Wiederwillig habe ich mich gestern auf meinen Drahtesel geschwungen und den Campingplatz mit Kommune 1 Feeling verlassen. Wäre ich geblieben, wäre das vielleicht das Ende der Reise gewesen und ich würde jetzt als kiffender Alt-Hippie in einem langen Leinen-Gewand Barfuss auf der Wiese rumhüpfen. Manchmal wundert es mich schon, frage mich, ob nur immer ich solche seltsamen Bekanntschaften mache oder sie sogar vielleicht irgendwie magisch anziehe…
Das Highlight war dann heute auf der endlosen Waldpassage eine riesige Elch-Dame, die mich beinahe überrannt hatte, die mich wohl nicht kommen sehen hat. Mächtig, Mächtig, auch wenn ich eigentlich nur den netten Hintern der Dame beim vorbeidonnern betrachten konnte…
In Liepāja musste ich unbedingt ein Foto einer orthodoxen Kirche machen, irgendwie hatte mich diese goldene glänzende Kuppel von der ferne angezogen wie das Alupapier die Elster. 🙂
Kaum hatte ich mein Smartphone gezueckt eilte auch schon ein Pope wallenden Schrittes herbei, was mich fluchtartig die Stätte des Friedens verlassen ließ.
Auch mit der Mentalität der Leute komm ich langsam zurecht.
Einfach mal „nicht lächeln“ ist hier die Devise um ernst genommen zu werden. Also bloss nicht höflich laecheln, das kommt nicht gut an. Auch Hilfsbereitschaft ist wohl eher unueblich.
Dieses Land ist fuer mich ungewollt eine SST (Selbstsicherheitstraining), und hätte ich das hier schon vor knapp 25 Jahren gemacht, hätte mich die Falckenberg Schule auch aufgenommen.
Sollte ich also auf dem Rückweg wieder mit der Fähre fahren, werde ich mein Klitschko Gesicht aufsetzen, meine Jogginghose bzw. Schlafanzug zum Abendessen anziehen, das T-Shirt in die Jogginghoise stecken und meinen Zellen / aehh Kojengenossen bitten, mir 2 seiner weissen Tennissocken auszuleihen. Dann werde ich wahrscheinlich erst genommen.
Heute bin ich nach über 70km an einem kleinen Hafen gestrandet, der wohl nebenbei auf der Fläche davor seine Dienste als Campingplatz anbietet. Erinnert mich aufgrund der Container an eine Großbaustelle im Tiefbau, wo ich mal in den 90ern mit Polen zusammen gearbeitet und viel Spass gehabt habe. 🙂
Freitag 26.5.2017 Ende der ersten Woche
Vor einer Woche ging ich wohl um diese Zeit kurz schlafen um in ein paar Stunden wieder aufzustehen und die Reise anzutreten.
Hier mal die Bilanz der ersten Woche:
– Campingplätze unabhängig vom Zustand zwischen 5-10€ pro Nase
– Essen im Supermarkt ca. 20-30% günstiger
– Häufig eisiger Wind aus Nord, ohne Wind schon mal tagsüber 20 Grad, nachts 3-8 Grad
– Die hiesigen Mücken sind auch bei 8 Grad noch recht munter.
– Kollateralschäden einer Woche:
1 x Platten,
1 x defekt am Ständer, Fahrrad mit Gepäck einfach zu schwer
– superDupa Plattformpedal (neu) hat schon wieder Lagerschalen
Ansonsten:
Ich bin begeistert von Lettland, (soweit ich das als reiner Ueberlandradler so sagen kann) manchmal erinnert es an Schweden, wunderschöne Landstriche, Ortschaften, verwunschene Tante Emma Läden. Die Leute können meist englisch und auch irgendwie meist besser als ich, sie sind mir sehr sympathisch.
Highlight des Tages war neben dem Platten und den Material-Ermuedungserscheinungen meines Ständers eine Ameisenstrasse, die leider auf dem Foto nicht so spektakulär rueberkommt aber sehr interessant zu beobachten war..
Hier mal so eine typische Touraufzeichnung meines Garmins von heute:
https://connect.garmin.com/modern/activity/1760287380?share_unique_id=2
Samstag 27.5.2017 Treffpunkt Kolka, Ostsee meets Baltisches Meer
Wie immer bin ich relativ spät losgefahren, konnten aber einen echt guten Schnitt rausfahren, den ich hatte Rückenwind wie der Teufel und wurden von keinen Sehenswürdigkeiten wie Supermärkten oder etwaigen Fresstempeln abgelenkt.
85 km später bin ich dann in Kolka angekommen, wo sich das Baltische Meer mit der Ostsee trifft.
Sehr romantisch am Abend, auch wenn die Baueme im Meer Zeuge davon sind:
– das dass Meer gibt – und das Meer nimmt.
Einen bitteren Nachgeschmack hatte die heutige Jetstream Performance Tour natürlich auch: Hier hatten schon alle Supermärkte zu.
Glücklicherweise hatte ich auf dem Dorf noch eine Dame am Wegesrand mit einem alten Campingtisch und Sonnenschirm sitzend angetroffen, die geräucherten Fisch feil bot. Also 3 Dicke Stücke Lachs und Makrele fuer 4€ in die Tüte und der Tag war gegessen 🙂
Sonntag 28.5.2017 kurz vor Riga
60km vor Riga. Wetter wie in Italien, 32Grad. Die ersten 500km sind geschafft. keine Vorkommnisse.
Filmriss.